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Donnerstag, 23. Mai 2013

Wisdom begins in wonder - Sokrates

Donnerstag :) Heute ging es in die Hope University, ungefähr eine qualvolle halbe Busstunde vom Zentrum entfernt. Als ich aus dem Haus ging, vermutete ich, dass es bald regnen würde, aber als ich dann aus dem Bus ausstieg, war klar dass das Wetter mich eindeutig gern hatte. Es wollte mir einfach nochmal mit aller Kraft zeigen, wie wunderbar das englische Wetter sein kann, indem es den Himmel seine Schleusen öffnen lies und mich mal wieder triefend nass machte. Obwohl ich heute andere Schuhe anhatte, hatte ich trotzdem nasse Socken... Nicht angenehm! Böses Wetter! Als ich dann zitternd in der Bibliothek stand, merkte ich dass die Sheppard-Worlock Bibliothek ein ebenso großes Klimaregulierungsproblem hat, wie die SJL. Allerdings ist die SJL oft zu warm, während die SW definitiv zu kalt ist! Zuerst nahm mich Elizabeth in Empfang und führte mich durch die Bibliothek. Sie ist nicht so groß wie die SJL, dafür aber modern eingerichtet. Wirklich sehr hübsch, mit dem vielen Grün auf dem kompletten Campus. Alles blüht in wunderschönen Farben und man fühlt sich wirklich wohl dort (abgesehen von der Kälte). Danach durfte ich auch hier die Special Collections besuchen, und da verliebt man sich als Bibliothekar und vielleicht auch als Archivar in die Schätze, die dort lagern. Ich muss euch einfach zeigen, was dort vorhanden ist! Ganz vorsichtig und ohne Blitz fotografiert, traten dann folgende Kostbarkeiten zu Tage: Dieses nicht mal handgroße Buch durfte ich nur mit den Fingerspitzen berühren, als es ganz sanft auf einem Kissen lag, um nichts daran zu beschädigen. Alles handgezeichnet, handgeschrieben und wirklich großartig gebunden - und von 1490!! Danach kam dann die etwas größere Version, die ich ganz vorsichtig halten durfte, wie den Kopf eines neugeborenen Babys. Und genau wie eine Mutter hat mich die Bibliothekarin nicht aus den Augen gelassen, während ich das Buch bewundert hab. An diesem Buch sieht man, was religiöse Schwachsinnigkeiten Büchern antun können. Aber von Anfang. In Liverpool gibt es zwei große Kathedralen, eine protestantisch und eine katholisch. In den Zeiten der Reformation in England wurden die katholischen Pfarrer aus den Kirchen verbannt, ihnen wurde verboten zu predigen und viele Bücher wurden verbrannt. Die Pfarrer, die gejagt wurden, fanden meist Schutz bei katholischen Familien. Um weiterhin predigen zu können und ihre Lieder singen zu können, mussten sie die benötigten Bücher unter ihren Kleidern schmuggeln. Deshalb wurden die Bücher immer kleiner, dafür aber auch immer hübscher. Wertvoll sind sie heutzutage weil es nur noch so wenige davon gibt. Die Bücher, die die protestantischen Geistlichen weiter benutzen wollten, wurden verändert. Die katholischen Namen der Priester, Heiligen etc. wurden entweder komplett ausradiert oder einfach gestrichen. Und das ist, was ihr hier seht. Irgendwie zum heulen, wenn man bedenkt von welchem Wert die Bücher sind und irgendein Idiot sie aus Hass verunstaltet hat! Nach langer Zeit gab es vor einigen Jahren nun zwei Priester, die erkannten dass Frieden zwischen den Religionen wichtig war. Sie wanderten oft stundenlang die Hope Street von einer Kirche zur Anderen, und das ist auch der Grund, weshalb die Universität Hope University heißt. Diese beiden, Sheppard und Worlock führten nämlich die beiden Colleges, die den jeweiligen Kirchen unterstanden, zusammen. Beide Kirchen gaben einige ihrer alten und wertvollen Bücher zur Aufbewahrung, Ausstellung und zu Forschungszwecken an die Universität. Darunter findet sich auch ein Buch, das mich beinahe zu Tränen gerührt hat - ich durfte meine erste echte Inkunabel in Händen halten! Sie ist von 1495, ganz knapp also, und hat als eines der ersten Bücher die Besonderheit, dass Notenblatt und Schrift gleichzeitig gedruckt wurde. Vorher wurde immer Platz für die Noten gelassen, sodass man sie im Nachhinein per Hand einfügen konnte - man wusste einfach nicht, wie es anders ging. Ist sie nicht wunderschön? Das war eigentlich der tollste Teil des Tages. Danach hab ich noch ein wenig Zeit mit Elizabeth verbracht, die mir die Erwerbung zeigte, ein bisschen am Help Desk, was aber eigentlich langweilig war, da Semesterende ist und kaum noch Studenten in die Bibliothek kamen und bin dann rumgelaufen und hab Fotos gemacht. Um 4 hatte ich dann Feierabend und bin mit einem sehr aggressiv fahrenden Busfahrer zurück in die Stadt gefahren. Jetzt freue ich mich, dass morgen mein letzter Tag ist - auch wenn es eher ein lachendes und ein weinendes Auge sein werden, mit denen ich die Zeit, die hinter mir liegt, betrachte. Den Rückblick gibts morgen, an meinem offiziell letzten Tag. Und bis dahin, adios Lords and Ladies - ich wünsche eine angenehme Nacht. Bis morgen ihr Lieben!!

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